Unter einem Lettner (vom lateinischen lectorium-Vorlesebrüstung) versteht man die Schranke, welche das Langhaus von dem heiligen Land (Chor) abtrennt. Kann das Schiff durch jede Person betreten werden, so ist der Chor den Geistlichen vorbehalten.
Mitte des 13. Jahrhunderts ist der Neubau des Domes weit fortgeschritten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Dom im Westen ein imposantes Eingangsportal oder einen weiteren Chor, welcher durch einen weiteren Lettner abgetrennt wird, erhalten soll. Man entschloß sich für die letztere Alternative, auch weil dieser deutscher ist und man sich vom Bamberger und Mainzer Dom beeindruckt zeigte.
Überwältigt von der Leistung des Bildhauers des Mainzer Domes holte man den Meister nach Naumburg, damit dieser den zweiten Lettner (Westlettner) und den Westchor gestalten könne. Von diesem unbekannten Meister ist so gut wie nichts bekannt, nicht einmal sein Name ist überliefert.
Im Gegensatz zu allen anderen Chören in Kirchen sollte der Westchor im Dom neben den Geistlichen zum Dank auch den Nachkommen der Stifter des Domes zugänglich sein.
Das Westlettner des Naumburger Domes besteht aus einer massiven Mauer, welche in der Mitte mit einem kleinen verschließbaren Durchgang (Tür) ausgestattet ist.
Die Vorderseite (vom Langhaus aus gesehen-von Osten) besteht im oberen Bereich aus sieben Passionsreliefs. Diese stellen schicksalhafte Momente aus der Bibel dar. Hierzu zählen (von links): Das Abendmahl, die Auszahlung der Schillinge an Judas, die Gefangennahme, die Verleugnung des Petrus, die Händewaschung des Pilatus, die Geißelung und die Kreuztragung.
Ein Achtes Relief dient als Durchgang von Langhaus in den Westchor und befindet sich in der Mitte des Westlettners. Es zeigt den gekreuzigten Jesus zum Zeitpunkt seines Todes und wird eingerahmt durch Skulpturen von Maria und Johannes dem Jünger.
Oberhalb des Durchgangs befindet sich ein Vierpaßfresko (über dem Lettnergiebel). Als oberste Person ist der Weltenrichter umrahmt von zwei Engeln zu sehen. Die Engel tragen die Marterwerkzeuge, nämlich das Kreuz mit der Dornenkrone, einen Becher mit den Kreuzigungsnägeln, die Lanze und den Schwammstab in den Händen. Das Fresko wurde im Laufe der Jahre mehrfach übermalt und liegt daher nicht mehr als Original vor. Man kann davon ausgehen, daß das Gewand und der Thron mit Stuck und Gold dekoriert waren.
Links und rechts neben dem achten Passionsrelief erstrecken sich je zwei angedeutete Durchgängem, die von Säulen getragen werden (je vier Dreipaßarkaden).
Die Rückseite des Westlettner hingegen ist eher schlicht gehalten. In ihr sind Aufgänge integriert, welche Zugang zu einem Rundgang um den Westchor gewähren.
Die Kapitelle, Blattfriese und Schlußsteine des Westlettners sind mit Pflanzendarstellungen ausgestattet, deren Detailtreue seines Gleichen sucht. Als Vorbild dient dem Künstler in und um Naumburg wachsende Pflanzen (Blüten, Blätter und Früchte).
Dargestellt wird in diesem Relief der dramatische Höhepunkt des Abendmahles, nämlich die Hingabe des Bissen
durch Jesus an Judas Simonis Ischarioth. Durch diese Handlung wird dieser als Verräter entlarvt.
Zu sehen sind neben Jesus und Judas noch weitere vier Jünger (Petrus, Johannes, Andreas und Jakobus). Die restlich
sieben Jünger fehlen aufgrund der begrenzenden Platzes.
Jesus stellt die zentrale Figur dar und befindet sich in der Mitte des Reliefs. Links neben ihm sitzt Johannes, welcher
in der Hand ein Tuch, hält mit dem er seinen Mund abwischen will. Rechter Hand von Jesus hat Andreas seinen Platz
eingenommen. Er hat beide Hände fest um einen Becher gelegt, um aus diesem zu trinken. Am linken Reliefrand ist Petrus
dargestellt wie er sich das Essen schmecken läßt und am rechten Jakobus, welcher mit der rechten Hand einen
Fisch im Napf umfaßt.
Im Vordergrund ist der Verräter Judas dargestellt wie er den Bissen von Jesus in den Mund bekommt. Gleichzeitig greift
er mit seiner rechten Hand in einem mit Essen gefüllten Napf.
Im Gegensatz zum Passionsgeschichte folgt das Relief "Die Auszahlung der Judasschillinge" erst nach dem
Abendmahl.
Im Mittelpunkt des Bildes steht die Übergabe des Geldes durch den Hohenpriester an Judas. Zu diesem Zweck hat er sich
auf seinen Thron gesetzt. Ferner sind noch vier Juden, mit der zur damaligen Zeit üblichen Kopfbedeckung für
Juden, in dem Relief dargestellt. Judas welcher selber Jude ist, trägt im Gegensatz hierzu keinen solchen Hut und
jüdische Kleidung. Vermutlich wollte der unbekannte Meister uns damit sagen, das es in jedem Land auf der Erde einen
Verräter wie Judas gibt.
Um die Heimlichkeit der Situation darzustellen, stehen alle Figuren eng zusammen und versuchen durch ihre Haltung die Sache
zu verdecken.
Erneut steht Jesus im Mittelpunkt des Reliefs. Er wird vom Judas mittels des Kusses auf die Wange verraten. Gleichzeitig wird Christus von einem jüdischen Schergen weggezerrt (Die Knechte des Hohenpriesters sind an den jüdischen Hüten erkennbar), wobei Petrus die Situation erkennt und einem Knecht mittels seines Schwertes versucht ihn zu erschlagen. Dieser hebt jedoch seinen Arm, so daß das Schwert nur das rechte Ohr abtrennt.
Zwei weitere Jünger sind über diese Situation entsetzt und ein dritter wendet sich ab, um die Flucht anzutreten.
Das vierte Relief ist durch den Durchgang in den Westchor in zwei Teile geteilt. Auf der linken Seite, oberhalb des Giebel des Durchganges, ist Petrus und die Magd und auf der rechten zwei bewaffnete Knechte (Juden) abgebildet.
Dargeboten wird im ersten Teil des Reliefs die Situation, kurz bevor Petrus der Magd entgegnet, daß er ihn nicht
kenne.
Die zwei Knechte im rechten Teil wurden durch die Magd auf Petrus aufmerksam und sollen den entflohenen Petrus
festnehmen.
Im rechten Teil des Reliefs sitzt Pilatus auf einem Stuhl. Ihm wird von zwei Dienern dabei Wasser über seine
Hände geschüttet.
Nachdem die Unruhen im Land immer mehr zunahmen und Pilatus einsah das er nichts dagegen unternehmen konnte, wusch er seine
Hände in Wasser, um so seine Unschuld an dem Blutvergießen zu verkünden.
Der linke Teil zeigt den Hohenpriester wie er mit seiner rechten Hand auf sich zeigt und so alle Schuld von sich weist. Daneben steht Christus, welcher teilnahmslos in die Ferne schaut.
Die letzten beiden Reliefs wurden vermutlich 1532 bei einem Stadtbrand, bei dem auch der Dom betroffen war, zerstört. Sie wurden im Jahre 1737 durch den Naumburger Drechslermeister Lüdecke aus Holz neu gestaltet (andere Fundstellen sprechen vom 16. Jahrhundert). Es ist anzunehmen, daß der Drechslermeister bei seiner Arbeit auf die Reste des Originals zurückgreifen konnte und so nahezu echte Kopien aus Holz herstellen konnte.
Zu sehen ist in der Mitte Jesus, welcher mit seinen Händen an einer Staupsäule festgebunden ist. Links und rechts daneben seine Peiniger, wobei der Linke aufgrund seiner Kleidung wohl dem Volk zugehörig ist und der Rechte der Obrigkeit. Die zwei rechten Figuren (ein Jude und Kriegsknecht) weichen dem Blick des Christus aus.
Im letzten Relief steht Jesus, welcher sein Kreuz trägt, im Mittelpunkt des Geschehens. Bis auf eine Person wenden wiederum alle den Blick weg von dem dargestellten Geschehnis in der Reliefmitte.
Dargestellt ist Jesus Christus, welcher an das Kreuz genagelt wurde zum Zeitpunkt seines Todes (Der Kopf sinkt zur Seite).
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Links von ihm steht seine Mutter Maria und rechts der Jünger Johannes. Alle drei Figuren wurden vom Meister so
dargestellt, daß sie unter seelischen Schmerzen leiden.
Über der Figurengruppe sind zwei Engel zu erkennen, die Weihrauchfässer schwingen.